Richtig miteinander Reden

für Menschen in intimeren Beziehungen

 

Von erfahrenen Paaren wird immer wieder gesagt, dass das Reden das Wichtigste ist. Das A und O einer Beziehung. Vor allem wenn es Probleme gibt, sollte man darüber reden. Viele Paare reden oft und viel, aber scheinbar immer wieder die selben Dinge. Sie haben das Gefühl, die Gespräche drehen sich im Kreis und sie kommen nicht weiter. Der Grund dafür ist, dass sie nicht oder nicht mehr richtig miteinander reden. Die Partner sitzen beieinander und reden häufig aneinander vorbei. Keiner hört dem Anderen richtig zu. Sie sind nur darauf bedacht, dass ihre jeweils eigenen Argumente, die wiederum fast nur aus Beschuldigungen und Vorwürfen bestehen, gesagt werden.

Richtiges miteinander reden ist aber gar nicht so schwer, wenn man folgende einfache Regeln beachtet: 

Rahmenbedingungen

Zeit nehmen
In Hektik und Eile kann man keine Probleme wälzen. In Eile kann man nicht Zuhören, sich nicht Konzentrieren, ist unter Stress und Druck. Das schafft nur Unruhe und Aggression, vieles bleibt ungesagt. Also genau das, was sie eigentlich vermeiden wollen. Also Zeit nehmen und Zeit lassen.

Schaffen Sie Ruhe und eine angenehme, entspannte Atmosphäre. Reden Sie zum Beispiel im Bett, im Caféhaus (wenn sie heftigen und lauten Streit vermeiden können), gehen Sie ins Schwimmbad, Sauna. Oder schaffen sie eine schöne Atmosphäre zu Hause, mit Kerzen, Duftölen, gedämpftem Licht (so wurden schon Kriege verhindert. Kein Witz.) oder in einem gemeinsamen warmen Bad. Je mehr die Gefahr besteht, dass einer von Ihnen sich aufregt, desto entspannender sollte das Ambiente sein.

• Kein Telefon oder andere Faktoren sollten das Gespräch stören. Und ein Gespräch über's Telefon geht auch nicht, weil die nonverbale Kommunikation einfach fehlt.

Regeln

Punkt für Punkt. Behandeln Sie einen Punkt nach dem anderen und nicht fünf Punkte gleichzeitig. Manchmal ist ein Punkt schwer zu beschreiben. Es kann daran liegen, dass es eigentlich 2 oder mehr Punkte sind. Wenn man sie auftrennt wirds auf einmal ganz einfach. Vielleicht machen Sie sich eine Liste von Punkten, die sie besprechen wollen. Jeder für sich oder beide (alle) gemeinsam. 

• Es muss so lange geredet werden, bis eine Lösung da ist. Das kann durchaus über mehrere Tage hinweg gehen. Wenn einer zu müde ist oder verhindert, wird "vertagt". Und zwar nicht auf irgendwann, sondern möglichst am nächsten Tag. Machen Sie das Problem, auch wenn es das Ihres Partners ist, zu Ihrem eigenen und bleiben Sie dran.
Versuchen Sie wirklich die Dinge auch mal aus seiner Sicht zu sehen und ihn wirklich zu verstehen. Sagen Sie nicht "Ich verstehe", wenn Sie es nicht wirklich tun. Oft sagt man es aus Bequemlichkeit oder um dem Partner vorzutäuschen, dass man zugehört hat. Tun Sie das nicht. 

Einer redet und der Andere hört zu (oder "die Anderen" - manchmal sind mehrere beteiligt oder betroffen). Zuhören bedeutet: nicht dazwischenreden (siehe nächster Punkt), sich nicht mit etwas anderem Beschäftigen (Zeitung, Fernsehen, ...) Schenken Sie ihrem Gesprächspartner ihre ganze Aufmerksamkeit. Das ist mehr als nur ein Akt der Höflickeit und des Respekts, besonders wenn es jemand ist, dem sie näher sein möchten.
Nehmen Sie Kritik erst einmal ohne Widerspruch hin, ohne Entschuldigungen, ohne Ausreden. Sagen Sie erst einmal nichts. Antworten Sie, wenn Sie dran sind.
Bedenken Sie aber auch, dass eventuelle Vorwürfe nicht einfach grundlos gemacht werden. Vielleicht ist nicht so viel dran, wie Ihnen vorgeworfen wird, aber es ist bestimmt nicht so, dass da Nichts ist. Darüber nachzudenken rentiert sich auf jeden Fall. Das Verhalten des Anderen ist oft nur eine Reflexion auf das eigene Verhalten. Umgekehrt ist es genauso.

 

Wenn alle durcheinander reden,
hört man kein klares Wort.

 

Der, der redet, wird nicht unterbrochen.  Der Vorteil beim Schreiben ist: es redet erst mal keiner dazwischen und man hat Zeit zum Nachdenken, zum reflektieren des Geschriebenen. Und jede Argumentation kann nachgelesen werden. Aber wie beim Telefon fehlt die nonverbale, körperliche Kommunikation. Das hindert aber nicht daran, die Vorteile bei einem Gespräch mit einzubauen. Das erfordert Zeit, womit die Bedeutung des aller ersten Punktes, ganz oben auf der Liste, unterstrichen wird.

Auch wenn die Vorwürfe noch so unhaltbar oder unmöglich sind, halten Sie sich zurück. Machen Sie notfalls Notizen, aber fallen Sie Ihrem Partner nicht ist Wort. Lassen Sie ihn Ausreden und hören sie möglichst aufmerksam weiter zu. Sie dürfen das aber auch von Ihrem Partner erwarten, wenn Sie an der Reihe sind.
Das Ausreden lassen ist ebenfalls nicht nur ein Akt der Höflichkeit und des Respekts, den man vor allem anderen, aber nicht nur, seinem Lebens(abschnitts)partner gegenüber haben und zeigen sollte. Es ist auch nicht Fair, den Partner aus dem Konzept zu bringen. Auch so könen Dinge ungesagt bleiben, die gesagt werden sollten. Sie werden "gefressen" und mit sich herum geschleppt, bis es wieder platzt und der nächste Krach da ist.

• Dafür macht der Redner kurze Sätze und Pausen, um evtl. kurze Zwischenfragen zu ermöglichen. Sie beide behandeln ein Argument nach dem Anderen.
Jemanden mit langen Reden mundtot zu quatschen oder ihn so mit Argumenten zu überschütten, dass er allein auf Grund der Menge nicht widersprechen kann, schafft keine Probleme aus dem Weg, sondern nur welche hinein. 
Durch die verständlichere, ruhigere Redeweise stellt man auch sicher, dass der Partner der eigenen Argumentation folgen kann. Das ist wichtig um einander zu verstehen. 

Das bedeutet natürlich auch, sich den Gegenfragen oder Gegenargumenten zu stellen. Und davor haben die meisten Angst. Der Partner könnte ja Recht haben, man könnte zurückstecken müssen, einen Fehler zugeben müssen, was auch immer. Aber das ist nicht Ihr Chef, mit dem Sie da reden, obwohl man aus Gründen der Höflichkeit mit diesen auch nicht so umspringen sollte. Sie kämpfen nicht um einen persönlichen oder geschäftlichen Vorteil. Und selbst dann zeugt es eher nicht von Überlegenheit oder Sicherheit, sich Gegenargumenten zu verweigern.

Ist es ein Gespräch zwischen Lebenspartnern, ist es ein Mensch, den Sie lieben, der Sie liebt. Sie sollten nicht konkurrieren. (Es sei denn, es ist der Zuckerguss Ihrer Beziehung, ein Spiel und geschieht in beiderseitigem Einverständnis. In diesem Gespräch sollte dieses Spiel aber unterbleiben.)

Selbstverständlichkeiten?

Und es muss alles gesagt werden, gesagt werden können, gesagt werden dürfen. Der Satz "Das braucht der Partner nicht zu wissen" sollte nie wieder in Ihrem Sprachgebrauch, nicht mal in Ihren Gedanken auftauchen. Das muss nicht das Ende aller Geheimnisse bedeuten. Ein Weihnachtsgeschenk muss halt ein Geheimnis bleiben, aber eben nur bis Weihnachten. Früher oder etwas später sollte der Partner möglichst alles erfahren. Vor allem dann, wenn die Sache in die Zukunft ausstrahlt. Wird der Partner überrascht und/oder vor vollendete Tatsachen gestellt, kann er sich hintergangen und belogen fühlen, auch wenn man es nicht so bzw. noch so gut gemeint hat. Die meisten Auseinandersetzungen haben ihren Ursprung in einem Mißverständnis solcher oder ähnlicher Art.

• Auch das Andeuten und ein "das wird er sich denken (können)" sollten tabu sein. Gehen Sie einfach davon aus: er wird es sich nicht denken. Den Partner zwischen den Zeilen lesen zu lassen, führt immer zu Mißverständnissen und falschen Vermutungen, bei jeder Art von Gespräch. Vor allem darüber, wie man dieses oder jenes denn nun gemeint haben könnte. Um dieses möglichst auszuschließen, ist alles offen zu sagen, auch wenn es noch so selbstverständlich erscheint.
Der Satz: "Du weißt schon, was ich meine" sollte möglichst nicht vorkommen. Auch Ihr Partner ist nur ein Mensch. Unterstellen Sie ihm keine hellseherischen Fähigkeiten. Gehen Sie davon aus: er weiß es nicht. Sagen Sie ihm was Sie meinen.

Nennen Sie die Dinge beim Namen. Wenn Sie Liebe meinen sagen Sie Liebe und nicht Liebe machen. Wenn Sie in einer Partnerschaft über Geschlechtsverkehr reden und diesen  meinen, sagen Sie Geschlechtsverkehr. Wenn Sie über Geschlechtsteile reden, benennen Sie diese.

Wenn Sie nicht wissen, wie etwas heißt, dann sagen Sie das, fragen Sie Ihren Partner oder machen sie sich schlau. Das sollte Ihnen nicht peinlich sein (müssen). Zudem habe ich festgestellt: Je peinilcher man eine Sache macht, desto peinlicher erscheint auch dem Gegenüber. Je normaler man mit einer Sache umgeht und darüber spricht, desto normaler erscheint es auch dem Gegenüber und er kann genauso normal damit umgehen und darüber reden.

Subtile Andeutungen und sticheleien sind zu unterbleiben. Auch wenn es 'nur Spaß' sein soll, ist dieser vorsichtig zu verwenden. Gerade das führt häufig zu Missverständnissen und Streit.

Die "Goldwaage" für Worte, Gesten und Verhalten ist wegzuschmeißen. Wie stand es einmal in einem Prolog an die Frauen so oder so ähnlich: Wenn ich morgens am Frühstückstisch nach der Butter verlange und nicht bemerke, dass Du sie vergessen hast, dann ist das kein indirekter Anschiß und kein unterschwelliger Vorwurf. Sondern Du hast sie halt vergessen und ich habe es eben erst bemerkt. Punkt.

Deutlich gesagt:
Ein doppeltes, mehrfaches oder hintergründiges Deuten von Aussagen oder Gesten sollte unterbleiben. Was gesagt wird, wurde und ist auch so gemeint. Genau so und nicht "vielleicht doch irgendwie anders, nur sagt es der Partner eben nicht direkt, aber ich weiß es weil ...
... er den Arm gehoben hat",
... er den Kopf schief hielt",
... er so und so geguckt hat".

W e g     d a m i t ! ! !
In den Mülleimer, die Tonne, verbrennen Sie's, spülen Sie's das Klo 'runter, geben Sie's dem Nachbarshund zum ... was auch immer.

Dieses pupertäre Gehabe und eben solche Gedankengänge sollten der Vergangenheit angehören. Das bedeutet auch vom Partner, dass die Worte mit Bedacht gewählt werden sollten. Ein 'einfach so dahin gesagt' gibt es in dieser Situation natürlich auch nicht. Emotionale Ausfälle sollt man sich für die Pausen aufheben. Aber gerade die möchte man ja mit einem solchen Gespräch vermeiden.

Menschlichkeit

Nehmen sie den Partner ernst, auch wenn das Problem oder das Argument noch so lächerlich ist. Auch, wenn er Zusammenhänge anscheinend durcheinander bringt. Offensichtlich hat man es ihm nicht richtig erklärt.
Jeder von uns hat andere Erfahrungen. Wir Menschen neigen gern dazu, unser Wissen und unsere Erfahrungen als selbstverständlich und allgemein gültig und richtig anzusehen. Aber das ist ein fataler Irrtum. Nichts ist selbstverständlich.

Wenn zu einer Aussage Erklärungsbedarf besteht, dann muß diese Erklärung gegeben werden, wie selbstverständlich und klar die Bedeutung einem selbst auch erscheinen mag. Egal wie umständlich oder langwierig die Erklärung auch ist. 
Vom Partner, vom zuhörenden, wird natürlich dann auch der Wille, die Geduld und die Konzentration erwartet, die für die Erklärung erforderlich ist.

• In einem solchen Gespräch müssen auch Fehler zugegeben werden (können), ohne dass der Respekt verloren geht.
Wir machen alle Fehler. Und nicht nur "mal einen", sondern oft und immer wieder. Das gehört zum Mensch sein. Deshalb sollte man sich und dem Anderen auch Fehler zugestehen. Dadurch wird dem Partner und von einem selbst der Druck genommen, ideal und perfekt sein zu müssen. Dadurch wird man meist entspannter und lockerer und macht eben genau deshalb weniger Fehler.

Pausen sind notwendig. Sie kennen es selbst noch aus der Schule: irgendwann lässt die Konzentration einfach nach. Planen Sie solche mit ein oder rechnen Sie damit.

In keinem Fall ist es gerechtfertigt ausfällig oder handgreiflich zu werden. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie gewalttätig werden müssen, richten Sie Ihre Gewalt gegen Gegenstände, die sind ersetzbar.
Es gibt jedoch klare Hinweise, dass das "'rauslassen" von aggression, das angebliche "Abreagieren" genau das Gegenteil bewirkt: es wird mehr Aggressionspotential aufgebaut. Besser sind das "tief durchatmen", Zählen oder Sport treiben. Gehen Sie laufen, radfahren oder schwimmen, wenn Sie eine Wut haben, aber ohne sich weiter in die Wut hinein zu steigern. Versuchen Sie Abstand zu gewinnen.

Es ist schon so, wie Meister Joda sagt: "Wut und Hass führen zur dunklen Seite (der Macht)" (Film "Star Wars"). Das kann ich zwar nicht als Studie bestätigen, aber als ich in Altenheimen gearbeitet habe, hatte ich den Eindruck, dass Menschen mit viel Hass und Wut in sich, auch im Alter sehr verkrampft, mürrisch und verbittert waren. Bei alten Soldaten habe ich das häufig beobachtet, aber auch bei dominanten Frauen, die "das Sagen" in der Familie hatten und eher intregant "regierten". Doch das ist nur ein subjektiver Eindruck. 

Fehler zugestehehen. Auch während des Gesprächs können Gesprächsfehler passieren, die Emotionen mit einem durchgehen oder anderes. Auch das liegt in der schlichten Wahrheit begründet, dass wir Menschen sind und Fehler machen. Jeder Mensch hat Stärken und er hat Schwächen. Nehmen Sie ihre eigenen und die Schwächen ihres Partners einfach an. Auch unsere Schwächen sind ein Teil unserer Persönlichkeit.
Seien sie nachsichtig und verzeihen Sie. Je länger eine Beziehung dauert, desto weniger ist eine Seite alleine schuld.