Vertrauen

Zunächst müssen wir ein unsere Einstellung, einen paar Teile unseres Denkens ändern. Jedes mal wenn wir Einkaufen, wenn wir unseren Lohn erhalten, stehen irgendwo die Fragen im Raum: "Ist der Lohn, den ich bekomme gerecht?", "Was ist meine Arbeit wert?", "Ist meine Arbeit das Wert, was ich beim Einkauf dafür bekomme?"
Wir versuchen also permanent anhand von subjektiven Eindrücken von unserem konkreten realen Arbeitsplatz, unsere Arbeit - also die investierte Arbeitskraft und Arbeitszeit - zu bewerten, ihr einen Tauschwert zuzuweisen. Einen Tauschwert benötigt man aber nur, wenn man mit dem Bewerteten materiellen oder immateriellen Objekt, hier die Arbeit, eben Handel betreiben will. Aber genau mit diesem wollen wir ja aufhören.

Einer der ersten Schritte ist es also, Dinge nicht mehr zu bewerten, nicht mehr in Werten zu denken. Eine Bewertung erfolgt dadurch, dass man zwei Dinge miteinander vergleicht. Jeder Preis an einem Produkt im Supermarkt ist eine solche Bewertung. Wenn eine Packung Klopapier 3 Euro kostet und wir mit dem Preis einverstanden sind, so ist uns das Klopapier 3 Euro Wert. Es ist 3 Euro Wert, egal wer wieviel Arbeit darin investiert hat. In einem anderen Regal steht eine Auswahl an verschiedenen Shampoos. Bestimmt ist eines dabei, bei dem die Flasche ebenfalls 3 Euro kostet. Auch das ist also, nach aktuellem gesellschaftlichem Ermessen, da der Preis von vielen (einfach) akzeptiert wird, 3 Euro Wert. Man könnte auch sagen, das Klopapier ist eine Flasche dieses Shampoos Wert. (vgl. Karl Marx, "Das Kapital" Band I, Kap. 1.3 www.mlwerke.de/me/me23/me23_049.htm#Kap_1_3 ). Man könnte also auch das Klopapier direkt gegen das Shampoo tauschen. Es wurde eine Bewertung vorgenommen und diese beiden Produkte als gleichwertig befunden. Gehen sie doch mal beim nächsten Einkauf durch den Laden und finden sie heraus, welche Produkte alle den gleichen Preis haben. Sie alle sind also gleich viel Wert. Es ist interessant, was so alles über den Preis, über die Bewertung miteinander in Verbindung gebracht werden kann. Aber das nur nebenbei.

So lange wir uns in diesem Gesellschaftssystem befinden, müssen wir mit diesen Bewertungen leben. Doch warum bewerten wir überhaupt? Es wird uns eingeredet, dass wir diese Bewertung brauchen, um keinen Nachteil zu erleiden. Konkret, um keine Miderung unseres Vermögens zu erfahren, um einen gleichwertigen, gerechten Gegenwert für den gegebenen Wert zu erhalten. Eine Minderung unseres Vermögens mindert auch unsere Überlebensfähigkeit, da vielleicht irgendwann, bei häufiger Minderung unseres Vermögens durch Leistungstausch dieses nicht mehr ausreicht, um uns durch weiteren Leistungstausch, durch Handel, mit etwas lebensnotwendigen zu versorgen. Denn unser Besitz, unser Eigentum, so die Annhame, bewahrt uns in diesem Gesellschaftssystem vor Armut uns Siechtum. Es geht also um eine Versorgungsangst. Und ständig wird die Angst geschürt, dass und dieses Eigentum jemand wegnehmen will. Eben jeder andere um uns herum und wir eben allen misstrauen müssen. Obwohl jeder von sich behauptet, auch den anderen leben lassen zu wollen, aber eben selbst auch überleben zu wollen, mehr nicht. Daher müssen wir beim Leistungstausch die Leistungen bewerten, mit Geld als Maßstab, und gegeneinander aufrechnen. Doch dazu gleich mehr.

Zudem wird so getan, als wenn unser in Geld ausgedrücktes Vermögen immer den gleichen Wert hätte. In der Praxis sinkt das Realeinkommen permanent. Der "gerechte" oder gleichwertige Leistungstausch (also der Leistungstausch, der Handel ohne Benachteiligung) ist also bereits hier ein Mythos, unser monetäres Vermögen schwindet durch die Inflation auch dann, wenn wir nicht kaufen, wenn wir das Geld einfach zuhause liegen lassen. Durch das sinkende Realeinkommen schwindet es beim Kaufen erst recht. Unser "Vermögen", egal wie hoch es auch sein möge, schwindet also sowieso, gerade durch den Handel.

Somit ist also gerechter oder fairer Handel schon ein Widerspruch in sich, da Handel, jedes getätigte Handelsgeschäft, bereits schon in sich eine Benachteiligung beinhaltet. Das Etikett der Gerechtigkeit soll uns die Angst nehmen bzw. verschleiern, dass wir bereits benachteiligt werden.

Im Umkehrschluss heißt das aber doch, wenn wir Angst haben, benachteiligt zu werden, gehen wir davon aus, dass uns andere überhaupt benachteiligen wollen. Demnach ist Gerechtigkeit also ein Generalverdacht, ein Misstrauen gegenüber anderen, dass sich diese auf unsere Kosten ein "schönes Leben" machen wollen. Und dieses Misstrauen gegenüber anderen, wird jedem um uns herum und uns selbst eingeredet, eingepflanzt, so dass nun jeder jeden verdächtigt. Offen zu Tage tritt und benutzt dieser Verdacht in den Schuldzuweisungen von liberalen und rechten Strömungen, wenn sie behaupten, dass irgend eine Menschengruppe an einer Verschlechterung der Lebenssituation, an sinkenden Löhnen, an höheren Lebenshaltungskosten, schuld wäre ("Ausländer nehmen Arbeitsplätze weg", "Spekulanten sind schuld an der Eurokrise", "Manager bereichern sich mittels überhöhter Boni auf unsere Kosten", "Durch Einwanderer sinken die Löhne", etc.)

Unter diesem Aspekt, dass Gerechtigkeit eben keine Gleichbehandlung, sondern gegenseitiges Misstrauen ist, bringen Geld und Handel durchaus jede Menge Gerechtigkeit in die Gesellschaft. Und genau damit wird vor uns die Notwendigkeit von Bewertung, von Geld und damit von Handel gerechtfertigt. Beim Geld geht es zunächst um nichts anderes als um den angeblichen Beweis einer Gerechtigkeit, hier im Sinne einer Gleichheit, die es allein auf Grund des Gesellschaftssystems wie auch der Funktionsweise bzw. dem Wesen von Geld und Handel nie geben kann, aus den erklärten wie auch anderen Gründen.

Wenn also keiner den anderen benachteiligen will, sondern legiglich nur andere unbegründet verdächtigt, kann man dieses Misstrauen gegenüber Anderen doch eigentlich auch beenden. Und wenn es dieses Misstrauen nicht mehr gibt, wandelt es sich in Vertrauen, dass eben niemand oder nur ganz wenige einen benachteiligen wollen. Dann aber wird auch die Bewertung von Leistungen unnötig, da man nicht immer nur Leistungen gibt, sondern früher oder später ja auch Leistungen erhält. Ohne Bewertung aber gibt es kein Geld und damit auch kein Handel. Es wächst das Vertrauen in andere, in sein Umfeld und von anderen, von seinem Umfeld, getragen zu werden. Damit schwindet die Angst und Unsicherheit vor der Zukunft, dort nicht mehr versorgt zu sein. Denn mit dem Vertrauen wachsen Gemeinschaften.

Siehe auch: der "gerechte" Lohn.