Über Gewalt

Anstoß zu diesem Text ist der Artikel "Machtdämmerung" von Immanuel Mayer in "Rubikon". Er beschreibt darin die ausfühlich und detailliert die Entwicklung der Macht, bis auf eine Stelle, in welcher sich, nach seiner, vielleicht auch nach universitärer Ansicht, der Fokus der Machthaber vom Gemeinwohl auf das Eigenwohl wechselt. Offenbar kann man sich nicht erklären, wie eine große Gruppe von Menschen sich einer kleinen unterordnen kann. Dabei ist die Antwort so einfach wie in Corona-Zeiten offensichtlich. Und es ist kein neues Wissen. Die Antwort heißt Angst.

Die Ratlosigkeit gipfelt in dem schon zynischen Zitat "Die Wenigen besitzen nur deshalb Macht über die Vielen, weil diese sich von ihnen regieren lassen und ihnen keinen wirklichen Widerstand leisten." Leider steht nicht dabei, von wem dieses stammt. Aber die Rolle der Angst wird, in dem sonst sehr gelungenen Artikel, gewalitig unterschätzt.

Dazu ein kleines Beispiel:

Nehmen wir an, im Schalterraum einer Bank befinden sich 50 Menschen. Bankangestellte und Kunden. Plötzlich betritt diesen Raum ein Mensch, zückt eine Pistole, schreit "Überfall, wer sich bewegt, stirbt" und gibt zum Nachdruck sogar einen Schuss ab.

Jetzt die Frage: Diese 50 Menschen sind dem Bankräuber (egal ob männlich, weiblich oder sonstwie) zahlenmäßig weit überlegen. Vielleicht ist sogar jemand darunter, der ihm körperlich überlegen ist. Warum überwältigen sie ihn nicht? Es ist doch nur ein einziger Mensch, dem 50 Menschen gegenüberstehen? Und er hat auch nur eine einzige Waffe?

Antwort: weil keines der 50 Individuen sterben will oder für den Tod eines anderen bei einer Aktion verantwortlich sein. Und wenn es einem nicht gelingt, unbemerkt an den Täter heranzuschleichen, die Waffe in eine ungefährliche Richtung zu lenken, wird mindestesn ein Mensch sterben. Ich darf versichern, nicht einmal ein Polizist würde sich in der Realität eine solche Aktion zutrauen. Also, wer erhebt sich? Keiner! Nicht ein einziger! Und das obwohl da nur ein einziger Mensch mit einer einzigen Waffe steht. Und er kontrolliert 50 Menschen. Es könnten auch 100 sein. Menschen sind in der Regel keine "Helden", und das ist absolut kein Fehler.

Richtig: heute sind es Schusswaffen. Vor langer Zeit waren es "nur" Hieb und Stichwaffen. Für einen im Kampf Unerfahrenen sind auch diese Waffen gefährlich.

Übertrag

Ich möchte nicht bestreiten, dass sich in den Lebensgemeinschaften immer wieder einige zusammenschlossen, eine Gruppe innerhalb einer Gruppe bildeten, sich einem vermeintlich starken Führer anschlossen und sich unter seiner Führung Vorteile versprachen oder sie ihnen versprochen wurden. Das passiert heute noch an jeder Schule. Doch der Rest der Gruppe wurde mit Gewalt kontrolliert. Und wie wir am obigen Beispiel sehen, ist es durchaus möglich, eine große Gruppe mittels Gewalt zu kontrollieren.

Eine kleine Gruppe sicherte sich ein Gewaltmonopol, um damit viele zu kontrollieren. Gewalt wirkt durch Angst. Angst, das Leben zu verlieren, Angst, verletzt zu werden, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt lebensfähig zu sein. Angst vor Schmerzen. Religionen erhalten mit der Aussicht auf Gottesstrafen und Höllenfeuer eine mentale Angst vor Qualen (Schmerzen) aufrecht.

Mit immer besseren Waffen und damit der Androhung von Gewalt gewannen wenige Macht über viele. Aber das war nur ein Aspekt. Mit der zunehmenden Abhängigkeit von Geld wird Geld zur Lebensgrundlage. Durch die Umsiedelung der zunächst autarken Bauern verloren sie ihre Versorgungsgrundlage und wurden zu Lohnsklaven.

In Deutschland wird mit Hartz4 deutlich, wie Geld als Macht- und Druckmittel eingesetzt wird, um Menschen System-gefügig zu machen. Berthold Brecht beschreibt in Galileo Galilei, wie dieser vordergründig seine Überzeugung aufgibt, nur um sich weiterhin versorgen zu können (weil die Lohnabhängigkeit bereits durchdringend war) oder sogar weiter leben zu dürfen und nicht dem Schicksal Kopernikus' zu folgen.

Der Grund, warum viele Menschen sich wenigen Mächtigen unterwerfen ist weniger Freiwilligkeit aus Eigennutz als mehr Angst. Angst sich nicht mehr versorgen zu können, Schikanen oder gar Gewalt und damit Schmerzen zu erfahren, oder gar am Leben bedroht zu sein. Um begreifen zu können, wie tief Gewalt in die Psyche eines Menschen eingreift, dürfen gerne die Opfer von Gewalttaten betrachtet werden. Und die Menschen vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden hatten bestimmt nicht weniger Angst. Und daher ist das obige Zitat schon ein gewaltiger Zynismus und der Autor dürfte kaum die Auswirkungen von Gewalt erlebt haben, egal ob selbst oder bei anderen.

Daher ist das, was heute, im Jahr 2020 an den Menschen auf Grund der Corona-Panik verübt wird, ein Verbrechen.