Die innere Wende

... zum wertfreien denken

In der kapitalistischen Gesellschaft, in der wir Leben, wird der monetäre Wert eines Menschen danach festgesetzt, wie viel monetär bemessener Leistung er in seinem Leben erbringt. Das heißt: wieviel Wert hat er erschaffen, wieviel Umsatz generiert, wieviele Einnahmen. Gemäß den geltenden Lohn- und Steuergesetzen, sowie den jeweils aktuellen Löhnen, kann der Wert eines Menschen errechnet werden. Daher ist der Wert eines Bankmanagers, eines Arztes so gravierend höher als der Wert eines Angestellten in der Bäckereifiliale, im Supermarkt, einer Friseurin oder gar Klofrau. Bemerkt sei: es geht hier nicht um den Nutzen der Arbeit, sondern allein um ihren monetären Wert.

Die vergleichende Bewertung von Leistungen ist recht tief in uns verwurzelt und es abzuschütteln braucht recht lange. Daher gelten auch akademische Grade in dieser Gesellschaft für manche immer noch als Statussymbol. Ungeachtet der Mühe, die ohne Zweifel für manchen hinter dem einen oder anderen Titel steckt, gilt es doch das Vermögen des einen gegenüber dem Unvermögen des anderen zu bewerten. Das aber setzt zum Beispiel die Leistung, und oft auch die Erfahrung eines Handwerkers herab, ist weniger Wert.

Permanent werden Menschen von Umfragen gelöchert, welches der Waschmittel sie nun für das Beste halten, warum und was denn das Eine gegen das Andere hervorhebt, und warum gerade dieses und nicht das andere, usw. Dass das nicht dem Ziel dient, den Nutzen des Kunden zu vergrößern, sondern allein den Verkauf zu vermehren, ist bereits an anderer Stelle behandelt. Der andere Aspekt, der mit solchen Umfragen wie auch mit der oft vorangegangenen Werbung einher geht, ist das permanente Bewerten der Dinge. Alles wird bewertet, jedes Gut, jede Dienstleistung, Arbeit, Freizeit, Gesundheit, ... bis hin zur Partnerschaft und sogar noch in diese hinein. Automatisch werden dabei Konkurrenzen geschaffen (eines besser als das andere).
Von Geburt an wird der Mensch von Menschen zu anderen Menschen in Konkurrenz gesetzt.

Konkurrenzlos

Völlig verlernt wird dabei, dass etwas weder besser noch schlechter sein kann, sondern nur anders. Es kann nicht akzeptiert werden, dass sich z. B. ein Audi A8 einfach nur anders fährt als ein 7er BMW (egal ober der Vergleich für den einen oder anderen Leser jetzt akzeptabel ist oder nicht). Die jeweiligen konkurrierenden Unternehmen müssen wissen, ob besser oder schlechter, woran man das auch immer fest macht. Und wenn es doch ein Patt gibt, dann muss der Konkurrent übertrumpft werden.

Solches wird auch auf den Menschen übertragen. Die Schwächen eines anderen werden nur schwer angenommen. Und noch weniger angenommen ohne diesen herabzuwürdigen. Warum kann ein Mensch z. B. nicht enormes Wissen haben, ohne dass er studiert hat? Warum schreibt man Menschen mit akademischem Abschluss automatisch hohe Intelligenz zu?
Wären diese Klischees stimmig, so hätten wir längst keinen Kapitalismus mehr und der Hunger in der Welt wäre, genauso wie Krieg, nur eine grausame Notiz in den Geschichtsbüchern. Allein dass es nicht so ist, sei Hinweis, dass es nichts weiter sind als Klischees.

Immer noch existiert der Diskurs, wer denn nun mehr arbeitet, der Arbeiter oder der Angestellte. Dass der eine nur anders arbeitet, will vielen nicht in den Kopf. Selbst bei den Arbeitern und Angestellten untereinander herrschen Konkurrenzkampf und Misstrauen, der jeweils andere könne sich auf Kosten der anderen, oder einen selbst, ausruhen, ungerechtfertigt mehr Freizeit, mehr Geld oder andere Leistungen erhalten und man selbst benachteiligt werden. Den Ausschluss solcher Benachteiligungen, die Angst davor bzw. dieses Misstrauen darüber gegen alles und jeden nennt man dann Gerechtigkeit.

Anders Denken

Worauf es nun bei der Umsetzung von wertfreiem Denken ankommt, ist, jeden Menschen als Individuum zu sehen, mit Stärken und Schwächen in jeweils anderen Bereichen. Und auch die täglichen, manchmal stündlichen Schwankungen darin.
Unternehmen brauchen, zur Berechnung von Kosten und Kosteneffizienz eine gleichbleibende, berechenbare Leistung von den Arbeitern. Lehrer schauen bei Schülern auf eine kontinuierliche Leistung, um das Leistungsvermögen festzulegen.

Aber der Mensch ist ein Stück Natur. Die Natur ist nicht geradlinig. Zu viele Kräfte und Prozesse greifen hier ineinander. Sie ist zwar bis zu einem gewissen Grad berechenbar, doch 100%-ige Berechenbarkeit wird es nicht geben. Sicher weiß man seit einiger Zeit die Position von Planeten und Gestirnen mittels mathematischer Formeln vorauszusagen, doch warum an einer Pflanze ein Trieb genau hier und warum gerade dort entsteht; warum die Kugel auf der anderen jetzt gerade dorthin fällt und nicht dahin; solche Dinge dürften außerhalb der Berechenbarkeit bleiben. Sonst wäre z. B. Roulette ja kein Glücksspiel mehr.

Menschlichkeit

Wenn nun ein Mensch heute weniger Leistung bringt, als gestern, so kann das an einer Tagesschwankung liegen. Sinkt die Leistung dauerhaft, kann das vielleicht am Alter liegen oder an Problemen im Umfeld, mit der Arbeit selbst oder auch mehrere Probleme. Reden ist angesagt, vielleicht sogar Hilfe.
Für einen Arbeitgeber steht hier im Vordergrund, dass der Arbeitnehmer so schnell wie möglich seinen Arbeitsfähigkeit wiedererlangt und arbeitet. In einer handelsfreien Gesellschaft, im wertfreien Denken, sollte der Mensch im Vordergrund stehen und mit ihm an seinen Problemen gearbeitet werden, bis er wieder glücklich und zufrieden ist. Die Arbeitsfähigkeit kommt dann automatisch. Der Freie Zugang zu Wissen lässt ihn gegebenenfalls eine andere Aufgabe bewältigen. Das Alter spielt keine Rolle, da er sich nicht rentieren muss.

Zur Hilfe sei gesagt, dass es - oftmals 'leider' - eine allgemeingültige Weisheit ist, dass man nur dem helfen kann, der sich helfen lässt. Das setzt voraus, dass der Hilfsbedürftige auch einsieht, dass er überhaupt Hilfe braucht. Hilfe muss nicht immer bedeuten, dass der Helfende etwas für den Bedürftigen tut. Es kann auch sein, dass ein Hinweis, ein Beibringen, das Aufzeigen eines Weges genügt.
Wie auch immer, es bedarf der Kommunikation und der Freiwilligkeit, ganz gemäß den Prizipien einer handelsfreien Gesellschaft.