Falsche Schwerpunkte

 

Bezeichnungen

Es ist schon sonderbar, dass wir mit anderen, wesentlich verwerflicheren Dingen viel offener umgehen als mit diesem. Krieg, Mord, Raub, Drogen, ... über alles das und noch mehr können wir offen sprechen, nur nicht über Sex. Dabei ist nichts elementarer für die Existenz der Menschheit als das. Wenn es morgen keinen Krieg mehr gibt, werden wir das ohne weiteres überleben. Ohne Raub, Mord und Diebstahl kommen wir prächtig klar und ohne Drogen sowieso. Aber ohne Sex sterben wir in ca. 100 Jahren aus.

 

Vor allem wegen verklemmter Umschreibungen wie "Liebe machen", "miteinander schlafen", "Sie liebten sich die ganze Nacht." und ähnlichem, kommt es zu Verwirrungen. Der Begriff der 'Liebe' wird oft fälschlicherweise als Synonym für Geschlechtsverkehr verwendet. (siehe: Wikipedia: Erotik)

Bestimmt sind Bezeichnungen wie Ficken, Bumsen, Poppen nicht gerade schön. Aber um einen schönen Begriff für etwas zu finden, muss man sich halt erst einmal damit beschäftigen, vor allem darüber reden. Aber genau das geschieht nicht. Wie oft kommt es vor, dass Kinder von ihren Eltern aufgeklärt werden? Und selbst wenn, was für ein Drama wird immer noch darum gemacht?

Umgang

Wenn wir in der Videothek einen Kriegsfilm, Horrorfilm ausleihen, einen Krimi oder Action-Film, haben wir keine Probleme, auch wenn der Blutstrom breiter fließt als Donau, Rhein und Amazonas zusammen. Aber wenn wir einen Sexfilm ausleihen, sei es Hardcore oder Softcore, haben viele ein Problem, sie haben Hemmungen. Unseren Kindern zeigen wir Kriegsfilme über den 2. Weltkrieg, Spielfilme mit mörderischen Geschichten aus dieser Zeit und us-amerikanische Western, in denen man sich gegenseitig erschießt und andere destruktive, eher depremierende Filme. Wie das aber mit Liebe und Sex funktioniert, darüber erzählen wir wenig bis gar nichts. Sind sogar empört, wenn man vor unseren Kindern darüber spricht oder überhaupt etwas in dieser Richtung auch nur andeutungsweise erwähnt. Schon hier setzen Erwachsene in den Kindern den Punkt, dass Sex etwas verwerfliches, etwas schlechtes und schmutziges ist.

 

Auch wer glaubt, einen offeneren Umgang mit dem Thema zu sehen, nur weil die Medien offener damit umgehen, der irrt. Von diesen wird es lediglich möglichst profitabel ausgeschlachtet. Die Musikindustrie spielt mit diesem Thema, weil sie damit ihre Gewinne steigern will, genauso wie die Werbeindustrie. Sie sprechen damit die Neugier der Jugendlichen und den natürlichsten Trieb des Menschen an. Ein Verlangen, dem sich letztlich keiner entziehen kann, denn es entspricht unserer Natur. 
Ein wirklich offenerer Umgang damit findet aber nicht statt.

Mangelnde Aufklärung

Inzwischen wird, durch religiöse Auffassungen und Verklärungen weiterhin getrübt, immerhin mehr oder minder offen über dieses Thema geschrieben. Eine richtige Aufklärung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, findet immer noch so gut wie nicht statt. Die folgen sind klar: Darüber, wie's funktioniert und über die möglichen Konsequenzen, gibt's nur Halbwissen. Hinzu kommt die sensationsgeile Klischeetreiberei der "Meinungsmacher", um Auflagen und Einschaltquoten zu steigern, und letztlich schlicht Umsätze und Profite zu erhöhen. Die Vermittlung von Werten und Hintergrundwissen spielt dabei keine Rolle.

Dass ein Kind viel Zuwendung braucht, Geld kostet und nicht nur eine lebendige Puppe ist, wird vielen erst hinterher klar. Auch bei einer Infektion, mit welchen Krankheiten auch immer, kommt die Einsicht erst danach. Vorherige umfassende Aufklärung und Gespräche wären besser gewesen. 

Doch können heutige Eltern die notwendige Aufklärung überhaupt noch geben? Sind heutige Eltern überhaupt noch fähig, ein Kind nicht nur mit ausreichend Nahrung und Kleidung zu versorgen, sondern auch Werte zu vermitteln, ein Kind in die richtige Richtung zu führen, ihm Perspektiven zu geben und ihm seine Möglichkeiten aufzuzeigen? Leider muss diese elementare Frage der Erziehung immer öfter mit einem klaren 'Nein' beantwortet werden.

Verklemmt

Trotzdem führt die heutige Entwicklung dazu, dass wir zumindest etwas freier über Sex reden könnten. Und immer noch fällt es den meisten Menschen schwer, über ihre sexuellen Wünsche und Träume wirklich frei zu sprechen. Das ist auch nicht verwunderlich. Wer entsprechende Artikel in Zeitungen und Boulevard-Blättern liest, muss sich doch schon beim bloßen Gedanken daran so schuldig fühlen, als hätte er gerade einen Einbruch begangen oder schlimmeres. 

Auch die immer wieder in den Medien auftauchendne Umfragen sind mit Vorsicht zu genießen. Denn nur weil nicht, oder wenig, darüber gesprochen wird, heißt das nicht, dass das Thema nicht interessant wäre. Ganz im Gegenteil. Wie bereits erwähnt steigert ein Artikel darüber das Interesse an dem jeweiligen Medium. Auch in diesen Umfragen wird, meist zwischen den Zeilen deutlich, wie gehemmt die Menschen darüber sprechen. Dementsprechend "ehrlich" und "offen" sind auch die Aussagen der befragten. 

Ein anderer Umgang mit Sex ist auf jeden Fall wünschenswert, damit wir wieder ein bisschen besser miteinander umgehen.