Alle reich?

Aber machen wir doch mal dieses Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, durch harte Arbeit oder durch eine Umverteilung (oder auch beides) würden wir es schaffen, dass alle Menschen gleich reich wären. Nehmen wir das Extrembeispiel, alle wären so reich, dass keiner mehr arbeiten gehen müsste und folgen dem Klischee, dass dann alle nur faul in der Sonne liegen und keiner mehr was tut (was Unsinn ist). Es gäbe keinen Luxus mehr, da sich den Luxus ja jeder leisten könnte. Auch keine Status-Symbole, da diese erst dadurch solche werden, dass sie sich eben nicht jeder leisten kann. Eine vergoldete Rolex wäre nur eine besondere Armbanduhr, da jeder, dem es gefällt, ebenfalls eine solche kaufen kann.
Es wäre ein ähnlicher Zustand, als würde es kein Geld geben, da ja jeder vom anderen weiß, dass er Geld hat. Jeder kann sich darauf verlassen und darauf vertrauen. Jeder der etwas braucht, kann es sich holen. Und dennoch gibt es einen Unterschied, auf den unten näher eingegangen wird. Hier nur kurz: Der liegt darin, dass mit dem Vorhandensein von Geld und Handel immer noch der Umstand bleibt, dass alles, jede Leistung, jedes Gut, auch Arbeit (Lohnarbeit) gekauft werden muss. Wer aber sollte die Güter produzieren, wenn denn keiner mehr arbeiten geht? Weil es ja niemand nötig hat. Oder vielleicht, weil er nicht ausreichend bezahlt wird, um sein Vermögen zu erhalten?

Lohnarbeit wäre zwar theoretisch noch existent, aber praktisch würde ja niemand was tun, so die Annahme, weil alle ja so reich sind, dass keiner mehr von Lohnarbeit abhängig ist. Somit würden weder Dienste geleistet noch Produkte hergestellt. Wenn niemand mehr Produkte herstellt oder Dienstleistungen erbringt, wird nichts mehr verkauft, weil es nichts zum Verkaufen gibt. Es wäre zwar Geld in Massen vorhanden, aber keine Produkte, die zu kaufen wären. Ein Grund, warum Geld dann sinnlos wird. Weil der Wert des Geldes eben einen Tauschwert darstellt. Jeder Reiche wäre plötzlich bitter arm, weil es für seine Geldmenge nichts mehr zum Tauschen gibt. Somit wird jedes Geld "wertlos".

Kann kein Handel mehr betrieben werden, können keine Umsätze, keine Erträge, keine Profite mehr erwirtschaftet werden. Damit zerfällt  jeder Reichtum. Zwangsläufig muss also der Großteil der Menschen fern von Reichtum, in der Abhängigkeit von Lohnarbeit, noch mehr sogar in Armut gehalten werden, damit Handel überhaupt möglich ist. Somit ist es in einer Gesellschaft mit "Äquivalenztausch" erforderlich, dass sich einige Wenige über viele andere stellen und diese ausnutzen, damit Handel überhaupt funktionieren kann. Damit ist Armut, sowie die gesamte Einkommensschichtung und dem damit gekoppelten Lebensstandard, (aus anderen, technischen bzw. logischen Gründen) nicht nur ein zwangsläufiges Resultat von Geld und Handel, sie sind aus dem hier beschriebenen Grund auch absolut gewollt und für diese, aktuell existierende Lebensweise absolut erforderlich.

Auch in früheren Zeiten, in sogenannten "vorkapitalistischen" Zeiten war das nicht anders. Es hat sich der Fürst, der Herzog, der Graf über die Menschen in seinen Ländereien gestellt und hat von ihnen den "Lehn" gegeben und dafür Dienste und Abgaben verlangt, es hat sich der Eigentümer der Produktionsmittel (z. B. der Werkstatt) über Handwerker gestellt und mittels der Arbeit dieser den Gewinn, und damit den Lebensunterhalt für sich und eben seine Handwerker erwirtschaftet, usw. Alle ebenfalls mit dem Ziel, möglichst mehr monetären Reichtum zu erlangen. Vielleicht war der Wachstumsdruck, der Wachstumszwang nicht so groß, nicht so penetrant wie in jüngerer Zeit. Tatsächlich hat es dem Einen oder Anderen genügt, wenn er gut durchs Jahr kam. Aber es war und es ist auch nicht unrecht, wenn mehr übrig bleibt. Dennoch hatte man auch in jener Zeit mit Konkurrenzen und ausreichend monetärem Profit zu kämpfen. Und es gab Armut.

 

Der Unterschied

Was ist der Unterschied zu einer handelsfreien Gesellschaft?

In einer solchen werden die Arbeiten nicht gegen Bezahlung, gegen Lohn oder für überhaupt eine Gegenleistung erledigt, sondern freiwillig. Entweder aus Interesse oder weil eben gerade notwendig und man nicht lange fragt sondern zugreift, anpackt (desto schneller ist sie erledigt). - (Das tut keiner? Das wird heute im realen Arbeitsleben tagtäglich Tausende male gemacht. Nur reden die wenigsten darüber, machen keinen Zirkus darum. Daher gewinnt man eben diesen Eindruck, dass das keiner tut. Tatsächlich sind aber genau diese Tätigkeiten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, ohne den die Wirtschaft wesentlich schleppender voran kommt. Genau genommen stehen 51% unbezahlte Arbeitsleistung stehen 49% Arbeitsleistung gegenüber (siehe Quellenkasten)

Zudem wird erwartet, dass durch den Wegfall von profitbedingter Konkurrenz mehr kooperation stattfindet. Patentklagen sind unnötig, weil durch einen (möglichen) Vorsprung in Wissen oder Technik kein monetärer oder sonstiger Vorteil entsteht. Das Vorenthalten von Wissen wäre also eher hinderlich als förderlich. Somit wird eine Beschleunigung des technischen, wie insgesamt des wissenschaftlichen Fortschritts erwartet.

Da niemand mehr von Lohnarbeit abhängig ist, weil erstens nicht vorhanden und zweitens eine Versorgung durch die Gemeinschaft sichergestellt wird, kann in vielen Bereichen die Automatisierung erhöht werden, so dass immer weniger menschliche Arbeitskraft erforderlich ist, sondern lediglich menschliche Kontrolle der Maschinen. Die verbleibende Arbeit kann auf viele Menschen verteilt werden, da auch viele Sektoren wegfallen, in denen heute Menschen, also "Arbeitskräfte" gebunden sind. So zum Beispiel der gesamte Finanzsektor, sämtliche Lohnbuchhaltungen in den Betrieben und vieles mehr. Ähnliche Arbeiten werden allerdings erhalten bleiben, da der Bedarf für Güter festgestellt, die Verteilung der Güter über alle Menschen (welche in der Gemeinschaft leben) in einem Gleichgewicht gehalten werden muss, so dass kein Mangel entsteht. Das erfordert Lagerhaltung und Logistik. Aber auch hier kann die Technik viel Arbeit abnehmen.

Da sich jeder eine Aufgabe suchen kann und immer Zugang zu Wissen und Informationen hat, unabhängig von finanziellen Mitteln, wird es keine Arbeitslosen im heutigen Sinne geben. Die Trennung von "Arbeitszeit" und "Freizeit" wird verschwimmen, weil Arbeiten aus Interesse getätigt werden, nicht aus Zwang zum Lebenserhalt.

Das, was also in unserer heutigen Welt viele mit dem Erlangen von Reichtum anstreben, im Prinzip eben zu "tun, was man will", wird für alle Realität, wenn wir Geld und Handel weglassen. Mit Geld und Handel wird das nur für ganz wenige möglich. Ohne Geld und Handel für alle. Und diese wenigen sind in diesem Sinne auch nicht "frei", sondern in ihrem eigenen Käfig gefangen (siehe Reichtum und folgende).

Quellenkasten

51% unbezahlte Arbeitsleistung stehen 49% bezahlte Arbeitsleistung gegenüber:

kulturrisse.at/ausgaben/032010/oppositionen/was-waere-wenn..