Mehr als Polygam

Der Mensch liebt. Und zwar selten nur eine Person zur gleichen Zeit. In einer Kleinfamilie liebt er seinen Partner bzw. seine Partnerin und sein(e) Kind(er). Zudem liebt er seine Eltern und seine Geschwister. Der Mensch liebt also auf vielfachen wegen. Er ist dazu fähig.
Es ist also zunächst grundsätzlich möglich, dass man mehr als einen Menschen zur gleichen Zeit liebt. Doch gilt das nur für die Verwandtschaft?

In schwierigen Zeiten ziehen sich die Menschen gerne in den Kreis von Beziehungen zurück, die ihnen wichtig sind. Meistens in den Kreis der Familie. In diesen Zeiten sinken auch regelmäßig die Scheidungsraten, sich Frauen wie Männer nach wirtschaftlicher Sicherheit sehnen. In besseren Zeiten steigt tendeziös die Zahl der Einzel-Haushalte, da wirtschaftliche Unabhängigkeit möglich ist.

Das Verhalten ist in sofern nachvollziehbar, da in Lebensgemeinschaften von zwei oder mehreren Personen die gemeinschaftliche Nutzung von verschiedenen Dingen möglich ist und so Kosten eingespart werden können.
In Wohngemeinschaften zum Beispiel, gibt es nur eine Küche, einen Herd, der Strom oder Gas verbraucht. Oft wird gemeinsam gekocht. Zudem gibt die Gemeinschaft das Gefühl der Geborgenheit und des Rückhalts. Gemeinschaftliche Haushalte führen, wie bei der industriellen Produktion auch, zu einem effizienteren Ressourcenverbrauch. Je weiter sich die Wohngemeinschaft einer Lebensgemeinschaft nähert, desto mehr Ressoucen können geteilt werden. Im Winter zahlt man insgesamt nur einmal Heizung für mehrere Personen. Statt 5 Waschmaschinen in 5 Einzalhaushalten wird nur eine benutzt, wenn auch eine etwas größere. Dennoch werden Wasser und Strom gespart. Das sticht natürlich die, welche vom Verkauf von Wasser und Strom leben. Generell sind Industrie und Handel eher daran interessiert, Single-Haushalte oder Kleinfamilien zu versorgen.

Kleinfamilien haben für Unternehmer den Vorteil, dass die Kinder meist nicht an Sparsamkeit denken. Daher sind Kinder auch eine hervorragende Zielgruppe für einige Branchen. Das zum Geldausgeben auch die entsprechenden Einnahmen gehören, daran denken sie bis zum Ende der Schulzeit meist weniger bis gar nicht.

Marketing

Das bedeutet also dass Wohngemeinschaften und Nutzungsgemeinschaften dem Handel wie auch der Produktion ein Dorn im Auge sind. Daher sind diese Lebensgemeinschaften auch selten Zielgruppen von Werbung, ganz im Gegensatz zu Kleinfamilien.
So werden wir auch von Seiten der Werbung mit Klischeebildern bombardiert, nach denen wir uns offensichtlich zu richten haben.

Auch Singlebörsen, Buchautoren, Zeitschriftenverlage und viele weitere profitieren von diesen Klischees, der Monogamie, der lebenslangen Ein-Partner-Beziehung. Worüber sollten Klatschkolummnen auch schreiben, wenn nicht darüber, wer mit wem "fremdgeht" oder Tips zum Flirten, um beim jeweils anderen Geschlecht immer wieder Erfolgreich zu sein, um endlich den einen Partner fürs Leben zu finden. Bücher über die angebliche Sexbestie Mann und das doch so zarte und subtile Wesen Frau gehören zu den Bestsellern. Genauso wie Bücher die den Geschlechtern erklären, was das jeweils andere doch wirklich will und dass alle dann doch ganz anders sind, als wären alle Männer und alle Frauen gleich wie Barbie-Puppen. Und letztlich gilt es für Männer und Frauen nur wenige Ziele im Leben zu erreichen: Familie gründen, Haus bauen, natürlich mit zwei Autos - man will ja unabhängig sein, Kinder kriegen und möglichst viel verdienen, damit man das alles auch finanzieren kann. Wir sehen, wohin der Hase läuft: zum Handel.

Amen

Und auch die Kirche trug und trägt ihren Teil zu diesen Verhältnissen bei, in dem sie genau in dieses Horn bläst, dafür Kirchensteuer und Spendengelder erhält. Sie proklamiert jedes Abweichen als Sünde für die man Buse tun müsse. Ganz besonders in dem Bereich, von dem sie am wenigsten Ahnung hat: Sexualität.

Die Bibel, auf die sich ja das ganze Christentum beruft, schweigt sich zu diesem Thema allerdings beharrlich aus. Logisch, war und ist doch das Judentum, aus dem das Christentum wie auch der Islam entstammen, patriarchalisch aufgebaut. Ihre Interpretation zieht die Kirche aus wenigen Textstellen, in denen Menschen sich in einer ganz bestimmten Art und Weise verhalten haben. Aus diesem Verhalten macht dann die Kirche eine Verhaltensvorschrift.

Die Bekanntesten Aussagen über Sexualität in der Bibel stehen in den zehn Geboten:  

"Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib"

Allein schon die Formulierung "deines Nächsten Weib" ist eigentlich schon eine deklaration des Eigentums der Mannes an der Frau. Das Weib gehört deinem Nächsten. Sie gehört nicht sich selbst oder dass sie sich zu diesem gehörig fühlt. Nein, sie gehört ihm, sie ist sein Besitz und sein Eigentum.

Es steht in diesem Satz nichts darüber ob dieser Nächste nicht schon zwei oder drei andere hat, also nichts von Monogamie.

"Du sollst nicht Ehebrechen"

Du sollst also, wenn Du verheiratet bist, mit keinem außer deinem Ehemann oder deiner Ehefrau schlafen. Ob das die zweite oder dritte Ehefrau ist, ist unerheblich.

So könnte man die Liste fortführen. Allein auf solche schwammigen Aussagen und einigen aufgeführten Lebensbeispielen begründet die Kirche ihre Interepretation für die Monogamie.

Wäre es die Natur des Menschen so zu leben, würden die Scheidungsrate und die Seitensprünge bei etwas um 1%, vielleicht 2%, aber nicht mehr als 5% liegen. Tatsächlich lag letztere 2003, laut den statistischen Landesämtern der einzelnen Länder und Wikipedia, bei ca. 40 - 45 Prozent. Das sind aber nur Paare, die sich zur Scheidung entschlossen haben. Unberücksichtigt sind hier Paare, die nur noch nebeneinander her leben. Über die Seitensprünge möchte ich hier weiter gar nicht schreiben. So viel zum Funktionieren und der Natürlichkeit der Monogamie und der lebenslangen Bindung.

Offensichtlich liegt das eine Prozent, dass uns von den Bonobos unterscheidet nicht so sehr im Bereich von Sexualität und zwischenmenschlichen Beziehungen. Also brauchen Menschen eher ein ganzes Netzwerk von (mehr oder weniger) tiefen Libes- und Sexualbeziehungen und nicht nur eine einzige.

Ja ist das denn Möglich?

Ja, es ist nach eigenen und anderen Erfahrungen möglich mehrere Menschen gleichzeitig tief und innig zu lieben. Denn jedes Gefühl der Liebe zu einem Menschen ist anders. Und auch die tieferen Gefühle unterscheiden sich. Ähnlich wie bei einem Radio, dass ja eigentlich auch mehrere Frequenzen empfängt, auch wenn wir dort nur jeweils eine abrufen, weil unser Gehör nicht entsprechend ausgelegt ist. Und in diesem Punkt weicht der Vergleich ab: Wir bringen es durchaus unter einen Hut, mit mehreren geliebten Menschen gleichzeitig zusammen zu sein. Sonst wäre eine sich liebende Familie gar nicht möglich. Diese Fähigkeit bezieht sich aber nicht nur auf die Familie, sondern auch auf Lebens- und andere Partner. Ein solches Beziehungsnetzwerk nennt man Polyamorie oder Polyamory.

Selbst die Wissenschaft bestätigt inzwischen, dass der Mensch zwar durchaus für lägnere Beziehungen gemacht ist, aber nicht unbedingt für lebenslange. Dennoch steht es jedem Menschen frei, mit einem anderen zusammen eine solche Beziehungsart zu wählen und sich ewige treue zu versprechen. Genauso aber auch, mehrere tiefe Beziehungen zu haben oder ganz anders zu leben. Natürlich ist hierbei nicht eine Art der Beziehung für alle Menschen, sondern viele Beziehungsformen zu leben, für jeden anders.