Der Mensch und der Sex

In den Phantasien mancher Männer schwirrt die Vorstellung, jeden Tag mindestens 3 bis 4 mal zum Orgasmus zu kommen. Dem entsprechend träumen sie von einer permanent willigen Frau.

Das Klischeebild, das von Frauen und Männern gezeichnet wird, ist entsprechend unterschiedlich, ja gegensätzlich. Das Bild des Mannes ist eine immer bereite Sexmaschine, die nur wenig braucht um anzuspringen. Ein paar Brüste hier, ein Popöchen da und schon steht der Frau gewaltige Manneskraft gegenüber - denkt man.

Ganz im Gegensatz dazu die subtile Frau, die nur mit höchster vorsicht und größtmöglicher Zärtlichkeit zur Paarung zu bewegen ist. Und das, so scheint es, höchstens einmal im Monat oder seltener.

Doch beides ist pure Klischeedrescherei. Es sollte auf dieser Webseite leicht zu erraten sein von wem. Natürlich wollen durch entsprechende Unternehmen potenzsteigernde Mittelchen für den Mann oder gefühlssteigerende, erregende Entsprechungen für die Frau, verkauft werden. Die Spam-Ordner quellen täglich über mit solchen offerten, die mit Sicherheit keine gesteigerte sexuelle Aktivität zum Ziel haben.

Zahlen

Die Medizin meint, 3 bis 4 mal die Woche Sex sei normal, es darf auch mal mehr oder mal weniger sein - auch normal. Einmal im Monat ist am Rande des "zu wenig", wobei immer noch individuelle Lebensumstände zu berücksichtigen sind. Somit sind die Spielräume weit. Grundsätzlich gilt aber: wenn beide Spaß daran haben, sollen sie's so oft treiben wie sie wollen. Es ist demnach eine Sache der Absprache und eine Sache der Gewohnheit bzw. des Trainings. Ja, des Trainings! 

Selbstbefriedigung ist keine 'rumspielerei'. Sie hat einen sehr sinnvollen Hintergrund: man übt. Man übt Sexualität und kann das auch bewusst einsetzen, um vielleicht, wenn es beide oder mehrere Partner wollen, mehrmals am Tag Sex zu haben, länger durchzuhalten und im richtigen Augenblick zum Höhepunkt zu kommen.

Frauen brauchen weniger

Wieder so ein Klischee. Laut Volksmund brauchen Männer erheblich mehr Sex und Frauen erheblich weniger. Aber denken wir logisch:

Die Natur hat das Ziel die Art zu erhalten. Beim Mann wissen wir, dass er eigentlich recht potent sein kann. Bei ihm werden ca. 100 Millionen Spermien pro Tag produziert. Von Anfang bis zur fertigen Samenzelle vergehen ca. 72 Stunden, es ist also eine 24-Stunden-Produktion. In einer normalen Menge von Eijakulat befinden sich ca. 40 Millionen Spermien. Kommt es zu keinem Höhepunkt, entleert sich der Hoden nach ein paar Tagen von selbst, meist durch nächtlichen Ausfluss. Andernfalls kommt es zur Erregung und zur (Selbst)Befriedigung. 

Das sind gewaltige Zahlen, welche den manchmal herrschenden Druck erklären, was aber kein Zwang zum täglichen Orgasmus ist. Aber wieso sollte die Natur, wenn sie denn schon die Art erhalten will, wenn Sexualität – nicht nur – zur Fortpflanzung dient und zwei Wesen dazu erforderlich gemacht hat, das eine davon mit enorm viel Libido ausstatten und das andere mit fast gar keiner? Was hätte das für einen Sinn?
Es darf jetzt gern ein Minute darüber nachgedacht werden und dabei berücksichtigt, dass die Natur nichts überleben lässt, was unnötig ist. Das Absterben dauert manchmal ein oder zwei Millionen Jahre, aber dann ist es wahrscheinlich weg.

Wer jetzt noch nicht auf eine logische Erklärung dafür gekommen ist, dem erspare ich das weitere Grübeln: es gibt keine. Und es gibt deshalb keine, weil es sich nämlich überhaupt nicht so verhält.

Libido

Rein medizinisch kann eine Frau fast zu jedem Zeitpunkt befriedigenden Sex haben. Theoretisch auch während der Menstruation, während der Schwangerschaft sowie nicht gleich, aber bald nach der Geburt eines Kindes - eigentlich zu fast jedem Zeitpunkt. Die Natur hat die Frau mit 3 stark reizenden Punkten im Genigalbereich ausgestattet, die sie leicht zum Orgasmus führen: der Klitoris, den (mysthischen) G-Punkt, den es tatsächlich gibt, und einen weiteren, kurz vor dem Muttermund. Für Zärtlichkeiten und Sexualität wirkt der Gesamte weibliche Körper wie ein empfindlicher Empfänger.

Wieso sollte aber die Natur die Frau genau so ausstatten ohne ihr die entsprechende Libido mitzugeben? Diesmal gleich die Antwort: hat sie nicht.

Dass Frauen sich in Bezug auf Sexualität zurückhaltender, oder sagen wir besser: versteckter verhalten liegt in der Menschheitsgeschichte begründet. Die weibliche Sexualität gilt und galt als nicht Gesellschaftsfähig. Zeitweise wurde der weibliche Orgasmus als Krankheit angesehen, die man sogar heilen wollte. Insbesondere in den abrahamischen Religionen, deren Traditionen und Ritualen wird und wurde die weibliche sexualität schlicht verleugnet, bis zum geht-nicht-mehr unterdrückt. Diese Dogmen ziehen sich heute noch durch die Kindererziehung und haben sich sogar in den Verfassungen verankert. Daher haben Eltern, vor allem religiöse oder solche, die sich dafür halten, Hemmungen mit ihren Kindern über Sexualität zu sprechen. Sie ist zur Sünde deklariert, eine Verwerflichkeit, nahe einem Verbrechen, das nur im Verborgensten geduldet ist. Doch Sexualität ist einer der natürlichsten und stärksten Triebe. Jeder unterdrückte Trieb sucht sich ein Ventil.

Kindliche Sexualität

Die Entwicklung der kindlichen Sexualität wurde lange Zeit nicht beobachtet. Kinder wurden schlicht als asexuelle Wesen angesehen. Diese Annahme scheint heute noch in manchen elterlichen Haltungen durch. Die männliche wie die weibliche Sexualität beginnt bereits im Kleinkindalter oder sogar noch früher. Während aber die Entwicklung der Jungen bereits sehr ausführlich dokumentiert ist, wurde die der Mädchen lange Zeit verleugnet. Erst mit Einsetzen der Geschlechtsfähigkeit, der Pupertät wurde sie von der Forschung wieder beleuchtet. Doch nur, weil die Menschen das Wissen darüber verweigert haben, heißt das nicht, dass die sexuelle Entwicklung im Kindesalter bei Mädchen aussetzt und mit der Pupertät wieder einsetzt. Das wäre gegen jedes Prinzip der Natur. Bei beiden Geschlechtern verläuft die Entwicklung der kindlichen Sexualität stetig bis zur Geschlechtsreife. 

Somit sind auch Kinder durchaus sexuelle Wesen, eben jeweils dem Alter entsprechend. Wärhend Jungen sich mit 6 - 8 Jahren zunehmend mit dem weiblichen Menschen beschäftigen, tun das die Mädchen in gleicher Weise mit männlichen. Beide tun es, aus gesellschaftlichen Gründen, eher heimlich. In einigen Kulturen wird pupertierenden Mädchen die Klitoris beschnitten, damit die Empfindung während des Geschlechtsverkehrs oder der Selbstbefriedigung reduziert bis ausgesetzt wird. Ähnliche Grausamkeiten hat es auch in der Geschichte des Christentums bereits gegeben. 

Beiden, jedoch Mädchen eher wie Jungen, wird die Beschäftigung mit diesem Thema verleumdet und schlecht geredet, es ist ja Sünde. Würde man die Entwicklung, mit einem wachsamen Auge auf Gefahren für Gesundheit natürlich, ihren lauf nehmen lassen, würde sich im Erwachsenenalter herausstellen, dass die Libido bei Mann und Frau annähernd gleich ist, von individuellen Unterschieden abgesehen.

Vorurteile

Es ist einfach nicht wahr, dass Frauen mehr nach inneren Werten schauen und Männer mehr nach äußeren. Auch bei Frauen regt ein, je nach Geschmack und Standpunkt, gut gebauter Körper ebenso die Phantasie an wie umgekehrt bei Männern. Auch für Männer spielen 'innere Werte' eine große Rolle. In der Regel gilt auch für sie, dass zumindest ein gewisses Maß an Sympathie vorhanden sein muss. Das angeblich 'subtile' Verhalten von Frauen resultiert lediglich daher, dass ihnen das Ausleben ihrer eigenen Sexualität, oft unter Strafe, auch in vielen anderen Kulturen, verboten wurde und noch verboten wird.

Komplexe

Viele Frauen haben Schuldgefühle, wenn sie offen oder sogar mit Männern über Sexualität sprechen, oder auch während sie diese praktizieren. Nicht wenige Frauen haben ihren eigenen Genitalbereich noch nie richtig, wenn überhaupt betrachtet.

Somit ist der vermeintlich große Unterschied nur ein scheinbarer, der von denen propagiert wird, die davon einen Vorteil haben: Kirche und Handel. Dem entsprechend sind auch Studien und Umfragen zu lesen, welche diese Umstände aus der Menschheitsgeschichte regelmäßig unberücksichtigt lassen. Es wird Zeit, dass dieses Gehabe aufhört und Männer, Frauen und alles was es dazwischen gibt, über das normalste Verhalten der Welt so normal und offen reden können wie über einen Arbeitstag.
Und man sich für jede Anwendung von Gewalt und Zwang in tiefste Tiefen schämt, wer damit prahlt verachtet wird.